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Medienberichte 

HORIZONT 01.03.2021 COOKIE-AUS 2022: Schlecht gerüstet in die neue Ära

COOKIE-AUS 2022

Schlecht gerüstet in die neue Ära

Von Nora Halwax
Montag, 01. März 2021

Die Medien- und Werbebranche braucht Alternativen für Third-Party-Cookies. Vorbereitet ist sie laut Umfragen kaum. Experten für Programmatic und Daten über neue Probleme, mögliche Lösungen und Googles künftige Macht.

Der Countdown läuft. Mit kommendem Jahreswechsel geht die Ära der Third-Party-Cookies zu Ende. Vor über einem Jahr hatte etwa Google angekündigt, auf seinem Browser Chrome – der mit Abstand auch hierzulande meistgenutzte (siehe umseitige Grafik) – damit Schluss zu machen. Die Folgen für die Werbe- und Medienlandschaft könnten schwerwiegende Konsequenzen mit sich bringen. Schließlich kann, so die Befürchtung, unter anderem der Konsument nicht mehr so zielgerichtet angesprochen werden wie bisher.

Vorausgesetzt, man ist unvorbereitet. Und wie sich zeigt, ist man das. Laut einer aktuell publizierten Umfrage des IAB Europe, erhoben im letzten Quartal des Vorjahres, sind drei Viertel der Branchenmitglieder überzeugt, dass Cookie- Alternativen „sehr wichtig“ und „entscheidend“ sind. Bloß 13 Prozent meinen, es sei nicht allzu relevant. Allerdings fühlen sich nur 40 Prozent der Unternehmen vollständig gerüstet. Noch dramatischer sieht die Situation in den eigenen Gefilden aus. Gemäß einer Befragung von Adform geben 88 Prozent der Marketingentscheider in der Schweiz an, noch keine Lösung parat zu haben. In Österreich: 91 Prozent. Im gesamten D-A-CH-Raum liegt der Wert bei 82 Prozent. Paradoxerweise erwarten sowohl in Österreich als auch in der Schweiz jeweils zwei Drittel einen direkten Einfluss des Cookie-Tods auf das eigene Geschäft.

Marktanteile der genutzten Internetbrowser in Österreich

Anzahl der Pageimpressions, Angaben in Prozent

Quelle: Österreichische Webanalyse, Grafik: HORIZONT

             

,Der Druck steigt‘

Der IAB nennt das Blocken der Cookies von Drittanbietern gar die größte Veränderung des Online-Werbeökosystems seit der Einführung von Real-Time-Bidding im Jahr 2009. Immerhin 60 Prozent der von Adform Befragten im deutschsprachigen Raum suchen derzeit nach einer Lösung für die Generierung von First-Party-Identities. Doch nicht einmal die Hälfte hat eine Lösung. Erschreckend ist für Andreas Grasel, Country Manager Austria & Switzerland bei Adform, dass sich einer von zehn Marketern noch gar nicht mit dem Thema befasst habe: „Die Ankündigung, dass Third-Party-Cookies und damit das gewohnte Modell auslaufen, kam seinerzeit für Branchen-Insider kaum überraschend.“ Schon da sei klar gewesen: „Wer jetzt erst anfängt, sich damit zu beschäftigen, hat ein großes Stück Arbeit vor sich.“ Die Zeit zu handeln sei längst da, mahnt Grasel: „der Druck steigt.“

'Verlässt man sich auf Walled Gardens der US-Digitalgiganten, gibt man die Kontrolle aus der Hand', warnt Markus Lauscher, Head of Ad Technology & Strategy, COPE; Mitglied iab-austria-Arbeitsgruppe Programmatic.

,Was sich durchsetzt, ist nicht klar‘

Markus Lauscher, Head of Ad Technology & Strategy bei der Cope Content Performance Group sowie Mitglied der Arbeitsgruppe Programmatic Advertising im iab austria, sieht unterschiedliche Ansätze für die Lösung des Problems: Log-in-IDs, persistente IDs ohne Log-in oder kontextuelles Targeting. „Aktuell drängen diverse Anbieter auf den Markt, die ,die‘ Lösung für das Problem versprechen. Welche dieser Möglichkeiten sich letztendlich durchsetzen werden, ist noch nicht klar.“ Das mache es für Publisher, Vermarkter, Agenturen und Werber schwierig, auf die „richtige“ zu setzen. Außerdem gebe es aktuell noch genug Monetarisierungs-Möglichkeiten über Third-Party-Cookies und eben viele Fragezeichen. „Die Gefahr besteht, dass man auf die ,falsche‘ Lösung setzt und diese in kurzer Zeit wieder ändern muss“.

Zudem müssten Fragen geklärt werden: An welche Allianz schließt man sich bei Log-in-IDs an, welcher ID-Anbieter wird sich in welchen Regionen verbreiten und wie schafft man eine einheitliche Definition der Umfelder beim kontextuellen Targeting? Jedenfalls bedarf es für Lauscher einer First-Party-Data-Strategie.

Priorität in puncto Alternative zu Third-Party Cookies

1 = nicht wichtig; 5 = entscheidend

  

Quelle: IAB Europe; Grafik: HORIZONT

Der IAB Europe führte die Umfrage Ende des Jahres natürlich nicht nur für ein Stimmungsbild durch. Als Resultat präsentierte er nämlich im Februar einen 60 Seiten starken Guide für die Post-Cookie-Ära. Damit – und mit dem Appell an das digitale Werbeökosystem, an einem Strang zu ziehen – wolle man „sicherstellen, dass die 23- Milliarden-Euro-Programmatic-Industrie in dem Bereich weiterhin Innovationen liefern und gedeihen kann“, so Helen Mussard, CMO des IAB Europe.

Agenturen etwa werden demnach zum Großteil mit dem konzeptionellen Workload konfrontiert sein, um technologische Pläne für die Werber sowie das weitere Planning und Buying sicherzustellen. Medienhäuser müssen ihre Audience-Datensammlung und Strategien neu organisieren. „Die Kommunikation zwischen Publisher, Agenturen und Werber wird noch viel wichtiger werden“, wird im Guide betont.

Datenkontrolle ist ein generelles Problem, wie die Adforum-Ergebnisse zeigen. Beinahe 40 Prozent der österreichischen, deutschen und Schweizer Marketingentscheider geben an, keine Kontrolle über ihre Marketingdaten zu haben oder sich immerhin deutlich mehr Kontrolle zu wünschen. 91 Prozent kritisieren das Verschwenden von Geld und Zeit in der Supply Chain (zu viele beteiligte Provider, versickernde Werbegelder).

‚Es wird durch die Diskussion über die Datenschutzkonformität der neuen browserbasierten Lösung ersetzt', so das Resümee von Roman Taudes, Rechtsanwalt bei Aigner Lehner Zuschin und Partner Rechtsanwälte.

Verlagerung statt Lösung

 

Das Abdrehen von Cookies von Drittanbietern erfreut freilich Datenschützer, zumindest im ersten Moment. „Aus Datenschutzsicht ist das Ende der Tracking-Cookies natürlich zu begrüßen“, wie Roman Taudes, Rechtsanwalt bei Aigner Lehner Zuschin und Partner Rechtsanwälte in Wien sowie Datenschutzexperte, gegenüber HORIZONT anmerkt. Richtig taugliche Alternativen aus Sicht der Werbetreibenden gibt es auch seines Wissens jedoch noch nicht. Nachdem das Ende der Third-Party-Cookies allerdings von den Browseranbietern eingeläutet wurde, sei davon auszugehen, dass diese auch eine Lösung für individualisierte Werbung präsentieren werden.

Das Tracking des Nutzerverhaltens werde dann wohl über den Browser selbst – ohne Cookies – erfolgen. „Das Ende der Third-Party-Cookies wird dazu führen, dass die anhaltende Diskussion um deren Vereinbarkeit mit der DSGVO und der E-Privacy-Richtlinie durch die Diskussion über die Datenschutzkonformität der neuen browserbasierten Lösung ersetzt wird.“ Damit dürften sich die Privatsphärebedenken also höchstens verlagern.

Wie gut ist Ihr Unternehmen auf die Post-Third-Party- Cookie-Ära vorbereitet?


1 = nicht vorbereitet; 5 = sehr gut vorbereitet

 

Quelle: IAB Europe; Grafik: HORIZONT

‚Frustrationslevel steigt bei allen‘

 

Auch Hubertus Thum von der Thum Rechtsanwaltskanzlei in Wien, unter anderem auf Datenschutzrecht spezialisiert, erachtet die heutige Situation sowohl für Werbetreibende als auch Unternehmer und User als „sehr undurchsichtig und wenig zufriedenstellend“. Halte der Seitenbetreiber die Vorgaben des EuGH ein, nämlich die aktive Einwilligung zu jeder Form von Tracking-Cookies, bekomme er kaum noch verwertbare Daten. Der User andererseits müsse sich „durch einen Dschungel an Cookie-Banner-Texten und Schaltflächen klicken, bevor er zum eigentlich angepeilten Inhalt gelangt.“

Sein Fazit: „Das Frustrationslevel steigt bei allen Beteiligten und das Verständnis für den Schutz personenbezogener Daten schwindet.“ In der seit Jahren diskutierten ePrivacy-Verordnung sei nach den letzten Entwürfen geplant, Hersteller von Browsern in die Pflicht zu nehmen; diese sollen künftig Usern ermöglichen, durch Voreinstellungen Tracking grundsätzlich zu regulieren („Privacy by Default“). Ob es durch Chromes Abdrehen tatsächlich zu einem positiven Effekt auf den Schutz personenbezogener Daten komme, „ist fraglich“.

Thum verweist auch auf cookiefreie Alternativen wie semantisches Targeting (Werbeanzeigen im kontextuellen Umfeld nach festgelegten Keywords), Digital Universal IDs (Unternehmen können nach Freigabe durch den User auf bestimmte Daten zugreifen) und People-based Targeting (eigens kreierte User-Accounts beim jeweiligen Unternehmen). Letztlich hätten aber alle Varianten mit den strengen rechtlichen Vorgaben und der schwierigen Umsetzung zu kämpfen. Es bleibe zu hoffen, dass sich die Mitgliedstaaten bei der ePrivacy-Verordnung auf eine praktikable Regelung einigen können, welche die Interessen der User, Werbewirtschaft und Publisher ausgewogen berücksichtige.

Lauscher hält den Leidensdruck für eine Lösung durch die starke Chrome-Verbreitung für „noch überschaubar, durch die Ankündigung der Einführung der Privacy Sandbox jedoch stark ansteigend“. Bei dieser soll auf den Cookie- Einsatz verzichtet und stattdessen auf ein „Privacy Budget“ zurückgegriffen werden, womit Anfragen an APIs (Programmier-Schnittstellen) gesendet werden, erklärt Thum. Die dort gesammelten Nutzungsdaten werden in einer übergeordneten Zielgruppe gespeichert. Obwohl der einzelne User dabei anonym bleibt, solle durch seine Zuordnung in eine „Gruppe“ trotzdem personalisierte Werbung ausgespielt werden können. Das hört sich doch nach einem Kompromiss an. Jedoch gibt Thum zu bedenken: „Setzt sich Google mit der Sandbox durch, könnte es seine Monopolstellung weiter untermauern“.

,Abwanderung der Wertschöpfung‘

Lauscher zufolge wirkte die Ankündigung von Google „wie ein Katalysator, weil das Thema aufgrund der Marktmacht des Browsers bearbeitet werden muss. Somit hat die Einführung der Google Privacy Sandbox großen Einfluss auf das gesamte Internet.“ Denn langfristig peilt Google eine Standardisierung des Verfahrens an, sodass es sich als Webstandard etablieren und in allen Browsern eingesetzt werden kann.

Einmal mehr läuft es also auf eine Verfestigung von Monopolstellungen digitaler Großmächte hinaus, selbst wenn man (immerhin) der Privatsphäre des Einzelnen mehr Raum geben will. Der Markt müsse zusammen an der Lösung arbeiten, warnt Lauscher. Geschehe dies nicht und verlasse man sich auf Walled Gardens der US-Digitalgiganten, „gibt man die Kontrolle aus der Hand und ist abhängig von deren Entwicklungen und Einstellungen. Verlässt man sich dabei auf nicht-europäische Lösungen, fördert man zusätzlich die Abwanderung von Know-how und Wertschöpfung aus Europa.“

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